1939: Start ins Düsenzeitalter

1939: Start ins Düsenzeitalter

Durch Zusammenarbeit des Erfinders Hans-Joachim Pabst von Ohain und Ernst Heinkel begann am 27. August 1939 mit dem Flug der Heinkel He 178 das Düsenzeitalter. Warum erfolgte dieser revolutionäre Schritt gerade in Deutschland?
Bisher unbekannt war, dass schon beim ersten Düsenflugzeug der Welt eine Schub-Vektor-Steuerung erprobt wurde. Und waren die Tragflächen wirklich aus Holz, wie oft behauptet wird?
(Foto: Volker Koos)

Lesen Sie hier einen kurzen Auszug aus dem Bericht:

Das erste Versuchs-Strahltriebwerk entsteht
Da von Ohain handwerklich nicht sonderlich begnadet war, musste auch noch ein Assistent gefunden werden, der über solche Fähigkeiten verfügte. In der Automobilwerkstatt, die sich um sein Auto kümmerte, bat er den dortigen Mechaniker hin und wieder um Vorschläge für die Umsetzung seiner Ideen. Aus einer gutbürgerlichen Familie stammend, konnte von Ohain dem findigen Automechaniker Max Hahn etwas Geld für Material und zur Erstattung des Aufwandes bieten und so begannen beide Ende 1934 in der Göttinger KFZ-Werkstatt ein Versuchsaggregat zu bauen. Es sollte ein reines Demonstrationsmodell werden, welches das Arbeitsprinzip beweisen sollte (Proof of Concept). Das Jahr 1935 über arbeitete von Ohain einerseits an seiner Doktorarbeit bei Professor Robert Pohl, andererseits mit Max Hahn an dem Versuchsmodell. Als Ende 1935 seine Doktorarbeit „Ein Interferenzlichtrelais für weißes Licht“ verteidigt war, gestand der frischgebackene Dr. von Ohain seinem Doktorvater die „Nebentätigkeit“. Vermutlich hatten sie über die berufliche Zukunft des Physikers gesprochen. Nachdem Professor Pohl die Berechnungen zum Strahltriebwerk geprüft hatte, stellte er einen Raum und bescheidene Sachmittel des Institutes für Physik für Versuche zur Verfügung.

 

HeS3B Gundermann

 

Zeichnung des ersten geflogenen Strahltriebwerks der Welt von Wilhelm Gundermann
Das Versuchstriebwerk wurde dabei von einem Elektromotor angetrieben und Benzin für die Verbrennung benutzt. Hahn und von Ohain hofften, das Triebwerk werde nach dem Anschub des Elektromotors dann selbsttätig laufen. Dies gelang ihnen jedoch nicht. Das Triebwerk heulte fürchterlich und blies eine lange Flamme aus, lief aber nicht von allein. Professor Pohl, der die Rückschläge und Fortschritte seines Schützlings wohlwollend begleitete, schlug vor, sich angesichts der begrenzten Mittel des Institutes an eine Industriefirma zu wenden. Dort könnte das Strahltriebwerk in einer professionellen Umgebung zur Reife gebracht werden. Überrascht war er, als von Ohain die Heinkelwerke vorschlug. Pohl hatte eigentlich an einen Motorenhersteller gedacht. Doch von Ohain befürchtete (nicht zu Unrecht), dass man ihn dort nicht ernst nehmen und lieber die eigenen Entwicklungen vorziehen würde. Heinkel galt als wagemutiger Unternehmer mit einem Hang zu technischen Neuheiten. Pohl schrieb also am 3. März 1936 ein Empfehlungsschreiben an Ernst Heinkel. Der antwortete am 12. und lud den jungen Erfinder zu sich nach Warnemünde ein: „Ich habe selbstverständlich Interesse für alle neuen Konstruktionen, die uns in der Entwicklung der Flugzeuge weiterbringen können, und wäre Ihnen dankbar, wenn Sie Herrn von Ohain veranlassen würden, sich an mich zu wenden. Am zweckmäßigsten wäre es, wenn er nach vorheriger Anmeldung zu einer Aussprache nach Warnemünde kommt.“

Heinkel fördert den Strahlantrieb
Pabst von Ohain nahm also seine Aufzeichnungen und machte sich schon am 17. März 1936 auf den Weg zur Heinkel-Villa nach Warnemünde. Dort wurde er von Ernst Heinkel und seiner Gattin empfangen. Noch 50 Jahre später schwärmte von Ohain: „was für eine bildhübsche Frau!“ Heinkel hörte sich geduldig den Vortrag an und studierte die Unterlagen stichprobenartig, mit wenigen Fragen zu Details der Wirkungsweise. Er sei von der Idee des Strahlantriebs für schnelle Flugzeuge überzeugt und bot an, für die Triebwerksentwicklung eine eigene und abgeschirmte Werkstatt errichten zu lassen. Er würde diese Arbeiten finanziell selbst tragen und vorerst nicht einmal die zuständigen Behörden davon unterrichten. Für den nächsten Tag würde er seine wichtigsten Ingenieure zusammenrufen, dort sollte von Ohain nochmals sein Projekt vorstellen. Diese Zusammenkunft fand dann im nahen Konstruktionsbüro statt. Grundsätzlich waren Heinkels Leute vom Strahlantrieb überzeugt, hatten aber zu einzelnen Details Fragen oder Einwände. Ernst Heinkel war optimistisch, bat sich aber ein weiteres Gespräch mit von Ohain für den 2. April aus, vermutlich wollte er mit seinen Ingenieuren intern die weitere Vorgehensweise abstimmen. Ernst Heinkel setzte sich über die starken Bedenken einiger Ingenieure hinweg und schlug am 2. April vor, von Ohain solle knapp zwei Wochen später mit seiner Arbeit im Werk in Rostock beginnen und ein Versuchstriebwerk zum Laufen bringen. Dazu würde er jede Unterstützung erhalten und könne sich immer direkt an Ernst Heinkel wenden. Ende Mai sollten die Vorversuche erste Ergebnisse zeigen. Bis zum Jahresende, äußerte Heinkel bestimmt, erwarte er einen erfolgreichen Probelauf eines Versuchsgerätes. Obwohl er diesen engen Terminplan mit Skepsis betrachtete, sagte von Ohain zu.

He178 Rollen 2

Die Heinkel He 178 rollt zum Start für ihren Erstflug.
Am nächsten Tag lag ein befristeter Arbeitsvertrag vor, Heinkel bat sich strengste Geheimhaltung aus. Von Ohain unterschrieb, zuvor hatte er darauf gedrungen, auch Max Hahn mit in die Arbeitsgruppe zu holen. So begannen ab dem 15. April 1936 bei Heinkel in Rostock die ersten industriellen Arbeiten der Welt am Turbinenstrahltriebwerk. Gegenüber von Ohain wurde mit keiner Silbe erwähnt, dass sich Heinkel schon länger mit Raketenantrieben befasste und an einem Flugzeug für über 1000 km/h arbeitete. Egal wie, Heinkel wollte der Erste sein, der den Schritt über die Grenzen des Propellerantriebs wagte.

 

 

Zusätzliche Informationen zum Artikel finden Sie kostenlos hier:

Heinkel Protokoll Konstruktion der He 178 (PDF)

Heinkel Protokoll Zuständigkeiten für He 178 (PDF)

Heinkel Protokoll Einstellung der He 178 (PDF)

Heinkel Prämien für Werker der He 178 (PDF)