Der Rammstoß im Luftkampf

Der Rammstoß im Luftkampf

Als Rammstoß in der Luft wird ein taktisches Verfahren bezeichnet, bei dem der Angreifende sein Flugzeug bewusst in das Flugzeug des Gegners bis zum Zusammenstoß steuert. Ziel ist es, den Gegner zum Absturz zu bringen oder zumindest stark zu beschädigen. Ein Flugzeug kann aber auch zum Rammstoß gegen Objekte am Erdboden und gegen Schiffe angewendet werden.
Die Zerstörung bzw. Beschädigung des Ziels erfolgt bei beiden Arten durch die kinetische Energie, und eventuell zusätzlich durch die Detonation des Kampfsatzes bzw. Kraftstoffes. Bei entsprechender Technik des Rammstoßes kann der angreifende Pilot überleben – mit dem Fallschirm abspringen oder sogar sein Flugzeug noch notlanden. Beim Rammstoß gegen Erdziele oder Schiffe ist die Überlebenschance durch Verlassen des Flugzeugs gering. Selbst bei Überleben erwartet den Piloten die Gefangennahme oder die Wasserung mit der geringen Chance, geborgen zu werden.
1910 erschien das Buch des Engländers Herbert George Wells „Wenn der Schläfer erwacht „, in dem der Rammstoß eines Flugapparates durch einen anderen beschrieben wird. Im Journal „Bote der Luftfahrt“ Nr.13-14 aus dem Jahre 1911 steht die Voraussage, dass „…sich in Ausnahmesituationen ein Pilot möglicherweise zum Rammen eines Aeroplans mit seinem eigenen entschließen kann”. Es sei erinnert, dass diese Aussage getroffen wurde, als die Flugapparate noch keine eingebaute Bewaffnung hatten und ein Luftkampf praktisch nicht möglich war. Der damalige Autor schlägt auch ein taktisches Verfahren vor, bei dem der Angreifer eine gute Überlebenschance hat – den Stoß mit dem eigenen Fahrwerk gegen die Tragfläche des gegnerischen Aeroplans. Diese Idee griff der russische Pilot Pjotr Nesterow auf, der als erster in der Geschichte des Luftkrieges einen absichtlichen Rammstoß ausführte.

Die Technik des Rammstoßes in der Luft
Der Stoß mit dem Fahrwerk wurde in der Ära der Doppeldecker mit ihrer leichten Holz-Stoff-Konstruktion und einem festen Fahrwerk angewandt. Der angreifende Pilot rammt aus Überhöhung anfliegend mit seinem Fahrwerk die obere Fläche des gegnerischen Flugzeuges. Das führt zur Zerstörung der Fläche und zum nachfolgendem Absturz. Die Beschädigungen des rammenden Flugzeuges waren nicht abzusehen. Zumal noch ohne Fallschirm geflogen wurde und nicht ausgestiegen werden konnte, war die folgende Notlandung mit beschädigtem Fahrwerk ein großes Risiko. Bei Rammen mit der Luftschraube nähert sich der Angreifende von hinten und steuert sein Flugzeug so, dass er mit der Luftschraube das Heck, zumindest die Ruder, oder auch das Ende der Tragfläche mit den Querrudern zerstört. Das Flugzeug des Gegners wird steuerlos und stürzt ab. Diese Methode wurde im Zweiten Weltkrieg am meisten angewandt. Richtig geflogen, wird nur die Luftschraube beschädigt, sodass der Angreifende die größte Chance zum Überleben hat, indem er mit dem Fallschirm abspringt oder sein Flugzeug noch landet.

Beim Rammen mit der Tragfläche kann sich der Angreifende von hinten oder auch von vorn dem Gegner nähern. Es wird versucht, die Kabine des Piloten oder Teile der Steuerung zu treffen oder den Rumpf zu durchtrennen. Bei dieser Methode waren die Überlebenschancen für den Angreifenden äußerst gering. Im günstigsten Fall konnte er noch mit dem Fallschirm abspringen.
Die für den angreifenden Piloten gefährlichste Art war das Rammen mit dem Rumpf. Aus einer Kurve oder einem Vertikalmanöver herausgehend, trifft der Rumpf das gegnerische Flugzeug. Meist gehen beide Flugzeuge verloren und der Rammende findet mit hoher Wahrscheinlichkeit den Tod. Ungeachtet dessen gibt es einige Beispiele, dass der Angreifer eine solche Kollision überlebt hat.

Der sowjetische Pilot I. M. Tschumbarew vor den Trümmern eines von ihm am 14. September 1942 gerammten deutschen Flugzeuges.

Den Rammstoß mit dem Heck hat der sowjetische Pilot I. Bikmuchametow am 4. August 1942 initiiert. Am genannten Tag flog er nach einer Kampfkurve von vorn auf den Gegner zu und traf mit seinem Heck die Tragfläche des Flugzeuges. Dieses geriet außer Kontrolle, fiel ins Trudeln und schlug auf der Erde auf. Wenn auch Bikmuchametow sein Flugzeug zum Flugplatz zurückfliegen und wohlbehalten landen konnte, sind die Überlebenschancen hier jedoch gering.

Die japanische Ramm-Einheit „Himmlicher Schatten“ flog die Nakajima Ki-44.

Bewußt gerammt wurde schon im Ersten Weltkrieg, zwischen den Kriegen, aber am häufigsten im Zweiten Weltkrieg. Beinahe in allen beteiligten Luftstreitkräften kam es zu gesteuerten Kollisionen.
Im Artikel in der FRX 70 werden zahlreiche Fälle geschildert und die Hintergründe für Rammstöße untersucht.

Kostenloser Download:
Stalins Befehl über die Auszeichnungen für Besatzungen von Kampfflugzeugen vom 19. August 1941