Eine Fliegende Untertasse aus den USA

Eine Fliegende Untertasse aus den USA

In den 1950er-Jahren versuchte die U.S. Air Force mit großem Aufwand ein Fluggerät mit phantastischen Leistungen in Form einer Fliegenden Untertasse zu bauen. Lange Zeit geheime Dokumente wurden kürzlich freigegeben und offenbaren erstaunliche technische Details eines der wohl ungewöhnlichsten Flugzeugentwürfe aller Zeiten.
Die Arbeiten an Flugscheiben begannen 1951 in Kanada, als John Frost und sein Team der Gruppe für „besondere Projekte“ als Erstes eine kleine Flugscheibe namens Avrocar entwarfen. Diese sollte mittels Bodeneffekt abseits von Straßen operieren können und über Hindernisse am Boden in niedrigen Flughöhen hinwegfliegen. Im Flug sollten Geschwindigkeiten bis etwa 400 km/h erreicht werden. Damit war das Fluggerät wesentlich flexibler im Einsatz als Luftkissenfahrzeuge.
Nachdem deutsche Zeugen behaupteten, eine solche Fliegende Untertasse im Krieg entwickelt oder sogar gebaut zu haben, flog John Frost 1953 zur Befragung eines solchen Zeugen nach Deutschland. Die deutsche Flugscheibe soll ebenfalls in niedriger Flughöhe den Bodeneffekt genutzt haben. Der Prototyp mit allen Plänen sei vernichtet worden, um den Entwurf nicht in alliierte Hände fallen zu lassen. Leider ist der Name des befragten Deutschen nicht überliefert. Da die Arbeiten am Avrocar schon weit fortgeschritten waren, ist ein Einfluss der deutschen Angaben auf das kanadische Projekt wohl unwahrscheinlich.
Der militärische Einsatz von Frosts Avrocar war in Europa zur Abwehr russischer Panzer geplant. Mittels rückstoßfreier Raketenwaffen sollten die Panzer beschossen werden und die Flugscheibe sollte schnell wieder hinter einer Deckung verschwinden. Der Bau einer hölzernen Attrappe der VZ-9AV Avrocar wurde umgehend begonnen und das seltsame Fahrzeug überzeugte optisch alle Besucher. AVRO Canada gelang es dann, die amerikanische Luftwaffe und Armee von ihrem Projekt zu überzeugen. Von drei Strahltriebwerken angetrieben, war das Fluggerät mit seinen 620 Zentimetern Durchmesser aber nur schwer zu steuern. Zwei Prototypen wurden gefertigt und in den USA untersucht. Durch einen zentralen Lufteinlauf wurde Luft angesaugt und über einen Ringschlitz am äußeren Rand der Scheibe nach unten ausgeblasen. Auch nach mehreren Modifikationen ließ sich das Gefährt selbst gefesselt nicht beherrschen.  Im Cockpit wurde es so heiß, dass sich alle Kunststoffteile braun verfärbten und verformten. 1954 stellte die kanadische Regierung die Förderung des Projektes ein und die USA übernahmen allein die Weiterentwicklung. Erst im November 1959 konnte ein Avrocar erstmals knapp über dem Boden frei, aber nur taumelnd fliegen. Im März 1961 wurde das Avrocar-Projekt schließlich erfolglos beendet.

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Parallel zum kleinen Avrocar arbeitete das Frost-Team ab 1952 an einem größeren Luftfahrzeug unter der internen Bezeichnung „Project Y“. Senkrecht startend, sollte es in Europa auch nach einem Erstschlag gegen Flugplätze einsatzbereit bleiben. Wie ein Zwitter aus Kreis- und Deltaflügel geformt, sollte Luft an der Vorderkante eingesaugt und am hinteren Ende ausgeblasen werden. Eine Attrappe des Einsitzers wurde ab 1953 gefertigt. Fotos davon gelangten auf unbekannten Wegen an die Presse. Vermutungen gehen dahin, die Firma selbst habe für die Veröffentlichung gesorgt. Auch technische Daten, wie die geplante Höchstgeschwindigkeit von 2400 km/h wurden publiziert. Die Maschine sollte eine Gipfelhöhe von fast 20 Kilometern erreichen und mit Luft-Luft-Raketen bewaffnet sein. Jedoch wurde die Förderung für „Project Y“ 1954 eingestellt. Das Konzept hielt einer genaueren Untersuchung einfach nicht stand. Besondere Kritik rief der Antrieb hervor, der aus einem riesigen Zentrifugalverdichterrad bestehen sollte, welcher horizontal im Rumpf rotierte. Nach Bemerkungen in einem amerikanischen Dokument sollen Windkanaluntersuchungen zum „Project Y“ in England durchgeführt und sogar ein Modell in Flug erprobt worden sein. Leider gingen alle Dokumente dazu in England 1959 bei einem Brand verloren.

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Endlich eine richtige Fliegende Untertasse
Nachdem zwei verschiedene Auslegungen einer Fliegenden Untertasse nicht zum Erfolg geführt hatten, sollte ein radikal geänderter Entwurf („Project Y2“) beweisen, was eine solche Flugmaschine leisten kann.  Im Jahr 1954 standen die USA unter großem Druck, endlich eine Antwort auf die mögliche Herkunft der immer zahlreicher beobachteten UFOs zu finden und dem Spuk der ungestörten möglichen feindlichen Aufklärungsflüge über dem Land ein Ende zu bereiten. Sollten die Untertassen wirklich aus der Sowjetunion kommen, so mussten deren Flugprinzip entschlüsselt und selbst solche Fluggeräte zur Abwehr gebaut werden. Darum zog das amerikanische Verteidigungsministerium die Leitung der gemeinsamen kanadisch-amerikanischen Arbeitsgruppe an sich. Die besten Wissenschaftler der USA wurden in die Forschung eingebunden. Das Massachusetts Institute of Technology (MIT) und das Ames Research Institute wurden an der Entwicklung beteiligt.
Das Antriebskonzept des Avrocar wurde verfeinert und für wesentlich höhere Leistungen ausgelegt. Acht oder sechs konventionelle Strahltriebwerke wurden sternförmig um ein zentrales Cockpit in der Scheibe platziert und bliesen jeweils einen Sektor am Außenrand des kreisförmigen Flugkörpers an. Klappen am Rand steuerten den Luftstrom. Unter verschiedenen Bezeichnungen wie Project Y2, Silver Bug (Silberkäfer), Ladybird (Marienkäfer), Project 1794 oder MX 1794 und PR89221 wurde jetzt viel Geld in die Hand genommen. Die zu erwartenden Flugleistungen glichen denen der beobachteten UFOs. Das Fluggerät sollte senkrecht starten, auf der Stelle schweben, nach allen Seiten ausweichen und schnell in horizontaler Lage steigen können. Im Flug mit der dünnen Kante voran, sollte mehrfache Schallgeschwindigkeit erreicht werden und radikale, abrupte Flugmanöver möglich sein.

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Der Haupteinsatzzweck war der eines Abfangjägers. Eine Bewaffnung mit Kanonen oder Raketen wurde dafür vorgesehen. Auch der für Piloten wenig verlockende Vorschlag, Gegner einfach mit mehrfacher Schallgeschwindigkeit zu rammen, wurde vorgebracht. Als Aufklärer und Bomber sollten die Flugscheiben ebenfalls genutzt werden, sogar die Marine zeigte Interesse an den ungewöhnlichen Flugkörpern. Da es Vermutungen gab, die sowjetischen Flugscheiben würden mit U-Booten an die amerikanische Küste gebracht, zog die U.S. Navy auch ein solches Träger-U-Boot für Flugscheiben in Betracht. Neben den amerikanischen und kanadischen Luftstreitkräften zeigte auch die britische RAF reges Interesse an einem solchen fortschrittlichen Fluggerät. Wenn der Bau gelang, war der kommerzielle Erfolg also garantiert.

Kostenloser Download von Zusatzmaterial mit vielen Zeichnungen:
Britisches Patent der Flugscheibe
US-Patent der Flugscheibe