Geiselbefreiung durch ein gefährliches Täuschungsmanöver

Geiselbefreiung durch ein gefährliches Täuschungsmanöver

Die beiden Autoren der FliegerRevueX haben als einzige bisher ein Interview mit einem der beiden Helikopter-Piloten führen können, der die spektakuläre Geheimoperation geflogen ist.

Kolumbien hat ein schon lange anhaltendes Problem mit kommunistisch orientierten Guerillas. Seit den 1950er-Jahren bekämpft die größte und älteste Gruppe, Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia (FARC), die Landesregierung. In den 1980er- und 90er-Jahren nahm der Einfluss der FARC noch zu, als sie sich in das Drogengeschäft einmischte, um mit diesem Geld ihre Operationen zu finanzieren. Eine weitere Geldquelle ist die Entführung von Menschen, nicht nur von wohlhabenden, sondern auch von einfachen Leuten, die dann freigekauft werden müssen oder gegen gefangene Guerilleros ausgetauscht werden. Geschätzt befanden sich im Jahr 2008 etwa 700 Geiseln in den Händen der Rebellen.

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Mit dem Beginn der 2000er-Jahre fuhr der kolumbianische Präsident Alvaro Uribe einen härteren Kurs gegen diese Banden. Zuvor waren Bemühungen um ein Ende der Kämpfe und Entführungen durch Verhandlungen fehlgeschlagen. Personal und Ausrüstung der gegen die Guerilla eingesetzten Kräfte wurden verstärkt und es wurde begonnen, die Vorherrschaftsgebiete der FARC einzuengen. Dadurch konnte aber das Problem der bereits in der Hand der FARC befindlichen Geiseln nicht gelöst werden. Einige Menschen wurden schon jahrelang im Dschungel gefangen gehalten.

 

Im Ernstfall werden die Geiseln getötet
Am 5. Mai 2003 wurde durch Regierungstruppen ein Befreiungsversuch mit Helikoptern gestartet. Der frühere Verteidigungsminister, zwei Zivilisten und elf Soldaten waren von der FARC entführt worden. Doch die Rebellen hörten die Hubschrauber des Spezialkommandos anfliegen und begannen die Geiseln zu erschießen. Nur drei entführte Soldaten überlebten, zwei davon schwerverletzt. Die Situation wiederholte sich unter anderen Begleitumständen am 18. Juni 2007. Eine Gruppe der FARC mit zwölf entführten Kongressabgeordneten stieß im Dschungel auf eine andere Rebellengruppe. Da sie diese für Regierungstruppen hielt, erschossen sie die Geiseln. Nur ein Abgeordneter überlebte das Massaker. Damit war deutlich geworden, dass die FARC, wenn sie sich bedroht fühlte, nicht zögerte, ihre Geiseln zu ermorden.

Täuschung per Funk
Bald wurde klar, die Rebellen konnten nicht militärisch eingekesselt werden, ohne Gefahr zu laufen, dass die Geiseln getötet werden würden. Man legte sich auf einen neuen Plan fest: Der Gegner sollte zuerst in einem Funkspiel mit Falsch­informationen verwirrt werden. Bei einem Vorstoß der Armee wurde kurz darauf ein FARC-Kommandeur getötet und sein Computer erbeutet. Die Daten zeigten, dass zwei hohe FARC-Kommandeure, „Mono Jojoy“ und „Cesar“ seit über drei Jahren nur über Funk Kontakt hielten und die beiden Kampfgruppen auch keine direkte Begegnung miteinander hatten. Dreimal täglich funkte eine „India“ genannte Frau von der 1. Front des Kommandeurs „Cesar“ eine Kameradin namens „Andrea“ im FARC-Kommando an, um Befehle von „Mono Jojoy“ zu erhalten.
Nach Analyse der Lage wurde am 20. April 2008 der Entschluss gefasst, den Funkverkehr der 1. Front zu stören und der Funkerin „India“ stattdessen eine gefälschte Kommunikation mit einer Frau der Armee unterzuschieben, die sich als „Andrea“ vom FARC-Kommando ausgeben würde. Der richtigen „Andrea“ würde man dagegen eine falsche „India“ vorspielen. So hätte die Armee die Kommunikation zwischen den beiden Rebellengruppen unterbrochen und könnte die Informationen manipulieren.
Mit Helikoptern, getarnt als Delegation einer Hilfsorganisation, fliegen kolumbianische Soldaten mitten in den feindlichen Dschungel, um 15, seit Jahren festgehaltene Gefangene zu befreien.