3. Oktober 1942: Der erste Flug in den Weltraum

3. Oktober 1942: Der erste Flug in den Weltraum

Von Peenemünde an der Ostsee aus startete vor 75 Jahren die erste Großrakete der Welt zu ihrem ersten erfolgreichen Flug. Dabei drang sie bis in den Weltraum vor. Wie kam es zur Idee der Fernrakete und wie verlief die Entwicklung des Aggregat A4, der Rakete, die im Zweiten Weltkrieg als „V-2“ bekannt und berüchtigt wurde?
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Schien nach den Schriften und Worten des Raumfahrtpioniers Hermann Oberths der Weg zu einer funktionierenden Fernrakete nicht schwierig zu sein, wurden alle Beteiligten bei der deutschen Raketenentwicklung schnell eines Besseren belehrt. Die beiden gebauten kleinen Versuchsraketen Aggregat A2 flogen zwar Ende 1934 einwandfrei. Gleich danach begann die kleine Raketenmannschaft eine große Rakete für 400 km Flugweg zu planen, die A4 genannt wurde. Über eine Versuchsrakete A3 im nächsten Schritt sollten nun grundlegende Erkenntnisse über komplexere Raketen gewonnen werden. Doch die vier Exemplare des A3 stürzten kurz nach dem Start im Dezember 1937 in die Ostsee. Eigentlich sollte jetzt das A4 in Angriff genommen werden, aber nun musste eine weitere Versuchsserie, das A5, dazwischengeschoben werden. Das Projekt Fernrakete litt unter mehreren Schwierigkeiten. Das Triebwerk lief nicht so effektiv wie geplant. Die Treibstoffe mischten sich nicht schnell genug. So musste die Brennkammer mit anfangs 20 Tonnen Schub immer länger werden, um den Stoffen Zeit zum Mischen und Verbrennen zu geben. Die Steuerung erwies sich als immer komplizierter und eine leichte, leistungsfähige Pumpe für die Treibstoffe gab es auch noch nicht. Als noch Aluminium und Magnesium als Baumaterial für das Heer nicht zu liefern war, geriet das Konzept ins Schwimmen.

Wernher von Brauns Versuchstriebwerk aus seiner Doktorarbeit von 1934

Beim Triebwerk half der Nachfolger des bei einer Explosion ums Leben gekommenen Dr. Wahmke, Dr. Walter Thiel. Er entwickelte für ein kleineres Triebwerk mit 1500 kp Schub einen neuen, sehr zuverlässig arbeitenden Einspritzkopf (Topf) mit Zerstäuberdüsen. Thiels Idee war nun, 18 Töpfe oben auf einem Deckel für ein großes Triebwerk zu gruppieren. Dieser 18-Topf-Ofen brannte ab Ende 1938 erstmals zuverlässig und lieferte bei kurzer Baulänge später die geforderten 25 Tonnen Schub. Für das Raketenflugzeug Heinkel He 176 hatte Helmuth Walter aus Kiel eine kleine Treibstoffpumpe entwickelt, die durch Wasserstoffperoxid angetrieben wurde. Diese Pumpe wurde weiterentwickelt und konnte die Treibstoffe in die Brennkammer pressen. Bei der Steuerung konnte keine der von den Firmen Kreiselgeräte oder Siemens gelieferten Systeme die versprochenen Leistungen erbringen. Auch die nachträglich ins Boot geholte Firma Askania hatte keine Patentlösung. So musste in Peenemünde selbst an einer Steuerung gearbeitet werden. Ein System, welches die 1932/34 bei Entwicklungsbeginn geforderte Genauigkeit erreichte, konnte aber bis Kriegsende nicht entwickelt werden.
Ein weiteres Problemfeld war die Überschallaerodynamik. Die Rakete sollte in allen Geschwindigkeitsbereichen stabil fliegen. Dazu musste in Peenemünde ein eigener Überschallwindkanal errichtet werden. Parallel dazu wurde das Konzept der Rakete A4 ständig geändert. Mal wurde sie länger, mal schlanker, mal waren die Tanks übereinander eingebaut, mal ineinander. Die Form der Flossen unterlag ebenfalls etlichen Variationen.

Untersuchte Flossenvarianten für das Aggregat A4 (V-2)

Gleichzeitig wurden etliche weitere Raketenprojekte bearbeitet. Mit Triebwerken mit 40, 60, 80 oder 100 Tonnen Schub, unterschiedlichen Treibstoffen und Tankgrößen wurden verschiedene Reichweiten angestrebt. Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs führte nicht sofort zu einer Straffung der Entwicklungstätigkeit. Hitler hatte bei seinem Besuch 1939 in Kummersdorf ein Raketentriebwerk arbeiten sehen. Man hatte ihm von den Plänen für eine Fernrakete erzählt. Auf seine Frage, ab wann eine solche Rakete einsatzbereit sein könne, habe man mit „in sechs Jahren“ geantwortet. Darauf habe Hitler abgewinkt, für seine Kriegspläne dauerte dies zu lange. Erst als 1941 die Illusion eines kurzen Krieges zerplatzte, straffte Dornberger das Entwicklungsprogramm der Peenemünder Versuchsstelle. Die Rakete für 800 bis 1000 Kilometer Reichweite (A10) wurde aus dem aktuellen Programm genommen. Priorität hatte die Fertigstellung des A4 und dann einer weiterentwickelten Version für 400 bis 600 km. Nach Dornberger war im November 1941 „das A4 einsatzmäßig zunächst nur als Zwischenlösung zur Beschießung nahe liegender Ziele anzusehen“. Doch erst einmal musste eine A4-Rakete überhaupt zum Fliegen gebracht werden und beweisen, dass es möglich war, einen Flugkörper mit einem Raketentriebwerk über große Entfernung zu befördern.


Start einer Versuchsrakete in Peenemünde 1943

Lesen Sie in der FliegerRevue X Nr. 68 genau, warum und wie die Fernrakete entwickelt wurde und wie die ersten Versuche verliefen.

Kostenloser Download:

Auf der empfehlenswerten Internet-Seite „Raketenspezialisten“ von Dr.-Ing. Olaf Przybilski findet sich das Sitzungsprotokoll zur Besprechung „Raketenfrage“ am 17. Dezember 1930 im Heereswaffenamt in Berlin.

Denkschrift Wernher von Brauns zur Planung der Fernrakete vom 18. Januar 1935.