Ambulanzflug am 9. November 1989 in Gefahr

Ambulanzflug am 9. November 1989 in Gefahr

Am Abend des 9. November 1989 war ich, Knut Kramer, der Flugkapitän des Learjet 25D mit der Flugnummer Liveguard 1 der Tempelhof Airways USA (TAUSA), Berlin. Wir betrieben das Flugzeug in Zusammenarbeit mit der Deutschen Rettungsflugwacht unter dem Namen „Berlin Air Rescue“. Zuvor hatte ich nachmittags als Geschäftsführer der TAUSA im Büro zu tun, als mich meine Sekretärin anrief und mir mitteilte, dass wir einen Flug im Auftrag des Deutschen Herzzentrums Berlin nach Hamburg hätten und ich leider der einzige Kapitän sei, der zur Verfügung stehe. Sie wusste, dass ich an diesem Abend eine Einladung von meinem Freund Ulli Schamoni, Filmregisseur und Chef von „100,6“, dem damals einzigen privaten Radiosender in Berlin, zu seinem 50. Geburtstag hatte, und wollte wissen, ob ich den Flug annehmen könne. Charly sei als Copilot eingeteilt und erledige schon alle Vorbereitungen. Natürlich konnte ich nicht Nein sagen. Ich verständigte meine Frau, dass es etwas später werden könne, und zog mich um. Es war mittlerweile 17.00 Uhr und schon dunkel geworden.

Charly, der auch als technischer Prüfer für den Learjet zuständig war, erklärte das Flugzeug für einsatzbereit. Da erschien auf dem Vorfeld von Tempelhof auch schon das Transplantations-Team mit ihrer Ausrüstung. Sie hatten es eilig, erklärte mir der Chefarzt. Wir verstauten alles in der Kabine, stiegen ein und schlossen die Luken. Die Flugfreigabe erhielten wir während des Rollens und waren kurz darauf unterwegs Richtung Hamburg im alliierten Flug-Nordkorridor.
Rettungsflüge sind von Natur aus zeitkritisch, noch kritischer bei Transplantationen. Spender und Empfänger von Organen konnten nicht warten und die Lebensdauer von entfernten Organen ist begrenzt. Deshalb hielten wir uns während des Fluges nicht immer an die Geschwindigkeitsbegrenzung für Learjets unterhalb der Flughöhe von 10 000 Fuß (etwa 3000 m). Diese Begrenzung hatte mit der Gefahr von Kollisionen mit großen Vögeln zu tun, deshalb hatte man auch vorne auf dem Rahmen der beiden Windschutzscheiben einen sogenannten „bird cutter“ (Vogel-Schneider) angebracht. Da wir aber in den drei Luftkorridoren und im Luftraum über Berlin nicht höher als 10 000 Fuß fliegen durften und in unseren Flugkarten groß eingezeichnet stand, dass Flugzeuge, die außerhalb dieses Luftraumes angetroffen werden, damit rechnen müssen, ohne Vorwarnung abgeschossen zu werden. Das war nicht gerade die feine Art, aber sehr wirksam.

Da blieb uns also nichts anderes übrig, als die Gefahr von Vogelschlag zu ignorieren, zumal nachts keine Vögel fliegen. Wir schoben die Gashebel nach vorne, bis die zugelassene Höchstgeschwindigkeit anlag. In unserem Fall, als die maximale Machzahl 0,82 auf dem Fahrtmesser angezeigt wurde. Charly hatte vorsorglich das Overspeed-Warnsignal ausgeschaltet. Da die Entfernung Berlin–Hamburg nur knapp 270 km beträgt, würden wir in weniger als 25 Minuten landen.
Das Wetter war gut, nur leichte Bewölkung, der Autopilot angeschaltet – Routine eben. Da meldete sich auf einmal BARTCC (Berlin Air Route Traffic Control Center) über Funk mit der Warnung: „Lifeguard one, unidentified traffic at your 6 o’clock position, low!“ (Nicht identifizierter Flugverkehr tief hinter ihnen).