
Heinkel repräsentierte in der Zeit der Weimarer Republik die sozialisierte Unternehmergeneration, war aber zugleich ein Vertreter der neuen zukunftsträchtigen Technikunternehmen. Er war Erfinder-Unternehmer in einer durch rasche Innovationszyklen geprägten Branche und daher großem Wettbewerbsdruck ausgesetzt. Heinkel sah die Firma Junkers als Hauptkonkurrent neben Messerschmitt an. Heinkel ist ein technischer Unternehmer gewesen, dessen Leitschnur für sein Handeln die Produktion, eine technische Entwicklung auf höchstem Niveau, das Expandieren, der Gewinn vorwiegend als Grundlage für neue Investitionen und die Pflege seines „Humankapitals“ (Gesamtheit aller Firmenangehörigen) waren. Der Verwirklichung seiner technischen Visionen und seines Lebensziels, das beste Flugzeugwerk der Welt zu besitzen, ordnete er alles unter. Dieser technische und ökonomische Professionalismus stand allerdings im Kontrast zu den menschlichen Schwächen Ernst Heinkels.
Klein von Gestalt (ungefähr 1,61 m), mit einer großen Nase und das Gesicht durch Narben entstellt, war der Lebensweg Ernst Heinkels nicht einfach. In der Kindheit versuchte er seine körperlichen Defizite durch Mutproben oder Jungenstreiche zu kompensieren. Während des Maschinenbaustudiums ab 1907 galt sein Streben den „schönen und angenehmen“ Seiten, sprich Alkohol und Frauen. Heinkel wurde Burschenschaftler und trug bei den „Ghibellinen“ bald den Spitznamen „Fläschle“, eine zweifelhafte Wertschätzung seines Alkoholkonsums. Seine Physiognomie legte für viele rassisch Denkende zusätzlich die Vermutung nahe, dass er jüdischer Abstammung sei. Der „Rausschmiss“ aus der Burschenschaft „Ghibellinia“ während seines später abgebrochenen Studiums, die Flugangst nach seinem Flugzeugabsturz 1911 und die nicht ganz freiwillige Kündigung bei den Albatroswerken im Jahre 1913 sind erste Indizien einer menschlichen Tragödie, die sein Selbstvertrauen immer wieder erschüttern sollten. Heinkel flog nie mehr freiwillig. Sein Gesicht soll bei späteren Flügen als Passagier immer schweißnass gewesen sein, sodass ein Foto nicht gewünscht war. Dagegen wurde Heinkel ein „verrückter Autofahrer“, der unter anderen mit seinem Zwölfzylinder-Auto der Marke Maybach-Zeppelin als größter Luxuslimousine seiner Zeit sogar Kaiser und Könige ausstach. Als „Geschwindigkeitsfanatiker“ weidete er sich dann oft an der Angst der übrigen Wageninsassen. Seine Kleidung ist immer auffallend gewesen und hatte teilweise etwas „gockelhaftes“ an sich.
Folgerichtig glaubte Ernst Heinkel als unabhängiger Unternehmer eines Flugzeugwerkes endlich auf eigenen Beinen zu stehen. Dabei wird sein Anspruch, es immer allen beweisen zu müssen, zunehmend zum Problem und lassen sein weiteres unternehmerisch/technisches Wirken oft widersprüchlich erscheinen. Die ständige Suche nach Anerkennung und Perfektion, seine Arbeitswut, die Opferrolle, die Aggressivität nach außen, seine Arroganz, um sich vor Nähe zu schützen, sind Merkmale eines Minderwertigkeitskomplexes, der das Leben von Ernst Heinkel bestimmen sollte. Der Historiker Lutz Budraß spricht von dem „schwachen Menschen Heinkel“ während Heinkel sich selber als eigenwilligen Charakter „und meiner instinktiven Abwehr gegen alles, was meinem Selbstbewußtsein zuleibe rücken könnte“ definiert.
Besonders in der Entnazifizierungsphase wird die Opferrolle und Aggressivität Heinkels überdeutlich. „Es ist lächerlich, wie die Entnazifizierung durchgeführt wird“, notiert Heinkel im November 1946. „Statt bei den großen Lumpen anzufangen (…) pickt man sich harmlose Volksgenossen x-beliebig heraus“, schreibt er weiter. Als das bayerische Sonderministerium 1947 entschieden hatte, die Entnazifizierung Heinkels als „wirtschaftlichen Großfall“ zu behandeln und im Februar 1948 immer noch kein Verhandlungstermin angesetzt war, schrieb er verbittert an die Ansbacher Spruchkammer seinen „Leidensweg“: „Ich habe, als ich im Juli 1945 aus England zurückkehrte, die feste Überzeugung gehabt, dass ich als alter anerkannter Demokrat, der von den Nationalsozialisten wegen seiner Einstellung und Haltung verfolgt wurde, mich nun sofort aktiv dem Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft widmen könnte, aber ich habe mich getäuscht (…). Ich wurde 1946 und 1947 gezwungen, untätig zuzusehen, wie viele Pläne, die an mich herangetragen wurden und die ich selber hatte, Pläne, die dem deutschen Wirtschaftsaufbau dienen sollten, zunichte wurde, nur weil meine formale Entlastung immer noch nicht durchgeführt wurde. (…) und kann es nun wirklich nicht mehr ertragen, mich noch weiterhin mit dem Totschlagen kostbarer Zeit zu beschäftigen.“
Mit der Machtergreifung Hitlers schaffte das NS-System 1933 zwar die Privatwirtschaft nicht ab, aber es war in weiten Teilen eine Art Lenkungswirtschaft. Es setzte dem wirtschaftlichen Handeln durch seinen ineffizienten, aber umfassenden Steuerungsanspruch neue Rahmenbedingungen. Mit dem danach einsetzenden Ausbau der Ernst Heinkel-Werke verbesserte sich die materielle Lage des Unternehmens zusehends; diese stellte aber trotzdem einen ungeheuerlichen Eingriff in Heinkels „heile“ Arbeitswelt dar, in der er der Macher und Sager gewesen war. Das neue diktatorische NS-System versuchte sofort, seine teilweise inkompetenten Funktionsträger in die innerbetrieblichen Machtverhältnisse einzuschleusen.
Die neue Regierung stellte im ersten Halbjahr 1933 rund 33 Millionen RM für die Luftfahrtindustrie zur Verfügung. Die Ernst Heinkel Flugzeugwerke erhielten den Hauptanteil von 11 Millionen RM, obwohl Heinkel während der Weimarer Zeit nie eine nationalsozialistische Organisation finanziell unterstützt hatte. Deshalb kann man Heinkels umstrittenen Eintritt in die NSDAP am 1. Mai 1933 nur aus ökonomischer und nicht aus ideologischer Sicht erklären. Auf Staatsaufträge und Förderungen seines Unternehmens konnte er nur als Parteigenosse hoffen. Außerdem war das Werk, sowohl was die Erfahrungen im Bau von Serienflugzeugen als auch die unternehmerisch gesunden Produktionskapazitäten anging, geradezu ein idealer Partner bei der Realisierung der noch geheimen Aufrüstungspolitik. Seine bisherige Firmenphilosophie: „Wer bei mir gut arbeitet, soll auch gut leben“ mündete jetzt in eine noch großzügigere betriebliche Sozialpolitik. Die Nationalsozialisten verstanden es hervorragend, Heinkels soziales Unternehmertum für ihre Zwecke auszunutzen. So gingen nationalsozialistische Leistungspropaganda und Betriebsgemeinschaftsideologie bald konform mit Heinkels Zielen und Vorstellungen. Sie stießen aber dort an Grenzen, wo weltanschaulich-rassistische oder machtpolitisch-persönliche Komponenten auftraten. Ein Beispiel sind die ständigen Auseinandersetzungen mit dem Gauleiter von Mecklenburg Ernst Hildebrand. Hier traf ein eigensinniger, unternehmerisch weitsichtiger und innovativer Techniker auf einen ehemaligen Landarbeiter mit begrenztem politischen und persönlichen Horizont aufeinander. Mit diesem Konflikt, der sich bis zum Ende des Krieges fortsetzte, konnte Heinkel ganz gut leben, da sein Intellekt nicht angegriffen wurde und er mit Erhard Milch, dem ehemaligen Lufthansachef und jetzigen Staatssekretär des RLM (Reichsluftfahrtministerium) einen Förderer hatte, der seine unternehmerischen und technologischen Interessen im neuen Regime durchsetzen konnte. Beide waren von kleinem Wuchs, sehr ehrgeizig, Organisationstalente und hatten mit ständigen unterschwelligen antisemitischen Vorwürfen zu kämpfen. Ihre Chemie stimmte offensichtlich. Es war dann auch Milch, der Heinkel 1934 wegen eines angeblichen Brandanschlages vor der Gestapo rettete und ihn 1938 als „Verlegenheitskandidat“ für den „Deutschen Nationalpreis für Kunst und Wissenschaft“ vorschlug. Durch diesen Schachzug band Milch den unbequemen und geltungsbedürftigen Heinkel noch stärker an sich, brüskierte allerdings den systemkonformeren Messerschmitt und versuchte in der Folge, die Einzelinteressen der beiden Unternehmer gegeneinander auszuspielen. Damit wurde der Schein der Privatwirtschaft gewahrt.
Heinkel und Messerschmitt lieferten sich einen erbitterten Kampf um den absoluten Geschwindigkeitsrekord, den man dann aus Propagandagründen auf der politischen Ebene zugunsten Messerschmitts entschied. Heinkels Selbstwertgefühl war enorm verletzt. Diese „Schmach“, die er nie verwinden konnte, stachelte ihn aber gleichzeitig zu Entwicklungsarbeiten bei Raketen- und Strahlantrieben an. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Hitler niemals eine Werksbesichtigung bei Heinkel, im Gegensatz zu Messerschmitt, durchführte.