Focke-Wulf Condor – die fliegende Schönheit

Focke-Wulf Condor – die fliegende Schönheit

Eine Tasse Kaffee im Januar 1936 am Buffet des Bahnhofs des Ortes Fortezza (Franzfeste) in Bozen sollte ungeahnte Konsequenzen für die Entwicklung der Verkehrsluftfahrt haben. Der Technische Direktor und Chefkonstrukteur der Focke-Wulf-Werke, Kurt Tank, wartete hier auf den Brenner-Express, der ihn nach einem vierwöchigen Skiurlaub wieder in die Heimat bringen sollte. Er wurde von einem anderen Reisenden, der ebenfalls auf einen Zug wartete, erkannt. Dr.-Ing Rudolf Stüssel war Technischer Direktor der Lufthansa und hatte schon mit Tank bei Focke-Wulf zu tun gehabt. Er war auf dem Weg in seinen Skiurlaub. Die beiden Männer scheinen keine Zeit für Höflichkeitsfloskeln vertan zu haben. Tank hatte nur 30 Minuten, bis der Brenner-Express einlief. Stüssel berichtete, dass die Lufthansa einen Nachfolger für die Junkers Ju 52 suchte, der eine wesentlich größere Reichweite haben sollte, um ferne Ziele ohne Zwischenlandung direkt anzufliegen. Zumal aus den USA die Douglas DC-2 als sehr sauber aerodynamisch ausgelegte Ganzmetallmaschine hervorragende Flugleistungen bot und der Vorbote einer neuen Flugzeuggeneration war. Tank erzählte davon, dass er sich schon länger mit der Idee trage, ein großes Verkehrsflugzeug zu entwickeln, welches nach den modernsten aerodynamischen Erkenntnissen entworfen, sogar für den transatlantischen Verkehr tauglich sein sollte. Er habe im Sinn, dazu einen schlanken Rumpf und eine Tragfläche mit einem hohen Seitenverhältnis und schlankem Profil zu nehmen. Stüssel fragte etwas ungläubig, ob Tank da nicht zu sehr in der Ideenwelt seiner Segelflugzeit verhaftet war. Als einzige Möglichkeit den Atlantik zu überqueren galt damals der Einsatz von Flugbooten. Die Fama geht, dass Tank etwas vollmundig eine Maschine versprach, die nonstop nach Südamerika fliegen könne und deswegen auch auf den Namen des größten dortigen Vogels, Condor, getauft werden soll. Tanks Zug kam und beide Männer versprachen, die Sache später in Ruhe zu besprechen.

Voller Enthusiasmus gingen Kurt Tank und die Konstrukteure bei Focke-Wulf sofort ans Werk. Innerhalb von vier Wochen standen die Eckdaten des zukünftigen Verkehrsflugzeugs fest. Tank packte bald darauf die Kalkulationen und erste Übersichtszeichnungen in seine Aktentasche und machte sich auf den Weg nach Berlin zur Lufthansa-Zentrale. Dr.-Ing. Stüssel hatte den Direktor der Lufthansa, Carl August Freiherr von Gablenz, vorab unterrichtet. Beide warteten gespannt auf Tanks Präsentation. Nach anfänglicher Skepsis gelang es Kurt Tank die beiden Lufthanseaten mit seinem Elan anzustecken. Tank offerierte der Lufthansa großen Einfluss auf die Entwicklung der Condor. Umgehend begannen Fachleute der Fluglinie und Konstrukteure von Focke-Wulf einen Austausch über Details, die bis hin zur Anordnung der Instrumente im Cockpit gingen. Geplant war eine viermotorige Ausführung für 16 bis 17 Passagiere, denen großer Luxus für Langstreckenflüge geboten werden sollte. Auf kürzeren Strecken fanden bis zu 30 Passagiere Platz. Neben den beiden Piloten und einem Navigator war in der Besatzung fest ein Flugbegleiter eingeplant. In einer Bordküche sollten warme Mahlzeiten bereitet werden. Die Kabine würde in einen Raucher- und in einen Nichtraucher-Bereich aufgeteilt werden.


In Deutschland war eine so bedeutende Flugzeugentwicklung aber nicht ohne Genehmigung des Reichsluftfahrtministeriums (RLM) möglich. Tank wurde in Berlin auch hier vorstellig. In Bremen war inzwischen eine Attrappe des Rumpfes in Originalgröße erstellt worden, welche den Vertretern des RLM präsentiert wurde. Diese waren beeindruckt. Kurt Tank war aber nicht nur ein genialer Konstrukteur, sondern hatte auch ein Händchen für Werbung. Er überzeugte das RLM, der neuen Focke-Wulf eine eingängige Flugzeug-Typennummer weit oberhalb des gerade verwendeten Nummernkreises zu geben. Werbewirksam sollte die Maschine Focke-Wulf Fw 200 heißen. Dazu erreichte Tank noch, dass die Kennung D-ACON für Focke-Wulf reserviert wurde. Damit sollte eine Maschine gekennzeichnet werden, die weltweit auf Werbetour gehen würde.
Mitte Juni 1936 waren die Gespräche zwischen Flugzeugwerk und Fluglinie über die Auslegung der zukünftigen Fw 200 abgeschlossen. Tank fuhr wieder einmal nach Berlin. Diesmal, um mit einem Produktions­auftrag der Lufthansa nach Bremen zurückzukehren. Als die Papiere mit dem Auftrag über zwei Maschinen unterzeichnet waren, fragte von Gablenz Tank, wie lange es dauern würde, bis ein Prototyp fliegen wird. Er dachte an zwei bis drei Jahre. Kurt Tank versprach etwas übermütig, in genau einem Jahr sei die Condor in der Luft. Ungläubig bot von Gablenz eine Wette um zwei Kisten Sekt an. Tank schlug ohne Zögern ein.