Hütter Hü 211: Aufklärung über New York

Hütter Hü 211: Aufklärung über New York

Deutschland hatte es nicht geschafft, einen militärisch einsetzbaren Fernaufklärer oder -bomber zu entwickeln. Die Luftwaffenführung hatte sich hauptsächlich auf kleinere, zweimotorige Flugzeuge konzentriert, die weniger von den knappen Rohstoffen verbrauchten. Historiker schließen daraus, dass der deutschen Führung ein Konflikt mit den USA völlig ausgeschlossen zu sein schien. Einer der wenigen deutschen Versuche, einen viermotorigen Bomber zu schaffen, scheiterte an der technisch riskanten Idee, bei der Heinkel He 177 je zwei Motoren in eine Motorengondel zu quetschen. Seit 1940 werkelte auch die Firma Messerschmitt an einem viermotorigen Fernbomber, der Me 264, kam aber nicht voran. Bis Kriegsende wurden lediglich zwei Prototypen gefertigt. Mehrere Projekte von Fernbombern oder -aufklärern gab es 1943 noch auf den Reißbrettern.
In der damaligen Kriegslage mussten das Auslaufen und der Kurs der amerikanischen Konvois möglichst früh ermittelt werden, damit sich die deutschen U-Boote für einen Angriff in Position bringen konnten. Die provisorisch als Fernaufklärer genutzten, umgerüsteten Verkehrsflugzeuge vom Typ Focke-Wulf Fw 200 Condor oder Junkers Ju 90 und ihre Weiterentwicklungen waren den Belastungen eines militärischen Einsatzes nicht gewachsen und es mangelte ihnen vor allem an der geforderten Reichweite. Eine schnelle Lösung für die Luftwaffe wurde nun dringend gesucht. Die Reichweite musste für einen praktikablen Einsatz mindestens 5400 km, wie die Entfernung von den Absprungplätzen in Nordfrankreich nach New York, oder idealerweise 8300 km, wie die Strecke bis zum Panama-Kanal, überdecken. Deswegen wurde 1944 von der Luftwaffe ein Fernaufklärer mit der Geschwindigkeit eines Jagdflugzeugs und einer Reichweite von 10 000 km gefordert. In großer Höhe fliegend, sollte die Aufklärung weitestgehend ohne Gefahr durch Abfangjäger erfolgen können.

Der genaue Beginn der Arbeiten der Brüder Hütter an dem Projekt eines Fernaufklärers ist nicht zu ermitteln. Nachdem der Projekt-Vorschlag „Ostmark“ irgendwann im Jahr 1943 gescheitert war, werden die beiden Brüder die Idee der Verwendung eines Flügels großer Streckung mit einem Laminar­profil für einen Aufklärer nicht aufgegeben haben. Neben ihren Arbeiten bei Schempp-Hirth und der Forschungsanstalt Graf Zeppelin werden sie sich weiter mit dem Projekt befasst haben.


Der spezielle Flügel der Brüder Hütter wurde in Sperrholz-Schalenbauweise gefertigt. Für die Hü 211 wies dieser eine Spannweite von 24,50 Metern auf und wurde einteilig gefertigt. In eine große und beheizbare Betonschale mit Metallverstärkungen wurden dünne Sperrholzlagen aus Buchenholz mit Klebeharz der Marke Tego gelegt. Zur Flügel-Mittelsehne hin wurden mehr Lagen aufgebracht, sodass der Flügel dort eine dickere Struktur hatte als an der Vorder- und Hinterkante. Oben betrug die maximale Holzdicke 60 mm, unten maximal 42 mm. Das Flügelprofil war als Laminarprofil ausgelegt. Die dickste Stelle lag also weiter hinten als bei den herkömmlichen Profilen. Dort hatte der Flügel etwa eine Dicke von 20 Prozent der Profillänge. An der Flügelwurzel war die Fläche 2,30 m tief. Dann wurden die Sperrholzlagen durch eine hydrauliche Presse mit einem Druck von 16 bar in die Unterschale gepresst und nahmen dort die Flügelwölbung an. Die Aufheizung der Form auf 80 Grad Celsius beschleunigte das Abbinden des Harzes und sorgte für eine feste Verbindung der Holzschichten. Es wurden so eine Unter- und eine Oberschale hergestellt.


Vor dem Verbinden der Schalen wurden drei „Holme“ aus einzelnen kurzen Holzplatten und in großen Abständen Querrippen aus Holz eingebaut. Dies ergab eine von den Brüdern Hütter so bezeichnete Kastenstruktur. An die vorderen Holzplatten wurde eine beheizbare hölzerne Nasenschale angebracht, hinten schloss sich der Endkasten an, an dem die Klappen befestigt waren. Die Festigkeit über die Spannweite wurde hauptsächlich durch die Sperrholzschalen übernommen. Die Schale trug hierbei 85 Prozent der Last. Teile des Flügels sollten innen imprägniert werden, um als Tank zu dienen und 7600 Liter Treibstoff aufzunehmen. Im Rumpf sollten weitere 5100 Liter befördert werden.