
Anstelle diesen Paukenschlag beim Beginn der größten Landeoperation, welche die Welt je gesehen hat, laut zu loben, hüllte sich die 8. Luftflotte darüber in Schweigen. Noch ein Jahrzehnt nach dem Krieg versuchten die offiziellen Historiker der Geschichte der 8. Luftflotte, den Einsatz der schweren Bomber am Invasionstag herunterzuspielen. Dies hat zum einen mit dem tief verwurzelten Selbstverständnis amerikanischer Bomber-Kommandeure zu tun. Sie sehen die Rolle der schweren Bomber als eine rein strategische an. Industrielle Ziele in Deutschland zu treffen, dies war der Zweck der Luftflotte. Zur Unterstützung von Bodentruppen zu fliegen, kam ihnen nicht in den Sinn. Noch schlimmer war die Tatsache, dass der Einsatz am D-Day ein kompletter Fehlschlag und die am wenigsten effektive alliierte Mission des Krieges überhaupt war. Es war den Bombern der 8. Luftflotte nicht gelungen, auch nur ein einziges deutsches Ziel zu zerstören. Schwerwiegend waren auch die Verluste unter der französischen Zivilbevölkerung, die höher waren als die des deutschen Militärs.
Zweieinhalb Jahre nach Beginn der Bombardierungen am Tag sahen sich die Besatzungen der 8. Luftflotte einem grundsätzlichen Problem gegenüber: Ihre Fähigkeit, ein Ziel zu finden und zu treffen, war völlig unzureichend. Tageslichtangriffe bei guten Sichtbedingungen erbrachten meist akzeptable Ergebnisse. Wurden die Ziele aber von Wolken oder Rauch verdeckt oder gab es heftiges Flakfeuer, dann ließ die Genauigkeit zu wünschen übrig. Um die Treffer-Ergebnisse zu verbessern, führte die 8. Luftflotte mehrere Änderungen ihrer Taktik durch und wandte sich in dieser Frage technischen Lösungen zu.
Ein Befehl von Generalmajor Henry Arnold, dem Befehlshaber der Fliegerkräfte der amerikanischen Armee in Europa, stellte am 2. Januar 1942 die 8. Luftflotte auf. Arnold und einige andere „Luftkriegs-Propheten“ glaubten, dass Luftstreitkräfte und speziell strategische Bombardierungen gegnerischer Industrieziele, einen Krieg auch ohne Bodentruppen gewinnen können.
Die 8. Luftflotte traf in England mit drei Glaubenssätzen im Gepäck ein:
– Eng gestaffelte Bomberverbände können sich selbst gegen feindliche Jagdflugzeuge verteidigen und benötigen somit keinen Jagdschutz.
– Bei Tageslicht können mit Hilfe des Norden-Zielgerätes Punktziele genau getroffen und vernichtet werden.
– Die Kombination aus den beiden vorhergehenden Sätzen würde zur Zerstörung der deutschen Kriegsindustrie führen, wodurch der Krieg gewonnen bzw. stark verkürzt wird.
Dabei war die Behauptung, Bomber könnten sich selbst gegen die Jagdabwehr des Feindes verteidigen, schon längst widerlegt. Die Amerikaner würden aber ein verlustreiches Jahr benötigen, um dies selbst festzustellen.
Die frühen Einsätze der 8. Luftflotte begannen am 12. August 1942 mit einem Angriff gegen die großen Eisenbahnanlagen von Rouen, der als grundsätzlich erfolgreicher Einsatz gewertet wurde. Zwölf B-17 warfen 45 Bomben zu je 270 kg und neun 500-kg-Bomben. Die Sicht über dem Ziel war hervorragend und die Trefferquote den Umständen entsprechend gut. General Carl A. Spaatz behauptete begeistert: „Wir haben Rouen in Ruinen verwandelt.“ Das war alles andere als zutreffend, schien aber die Doktrin des Präzisionsbombardements bei Tageslicht zu bestätigen.