Senkrechtstarter Jakowlew Jak-38

Senkrechtstarter Jakowlew Jak-38

Vor 40 Jahren durchfuhr der erste sowjetische Flugzeugträger „Kiew“ den Bosporus und lief ins Mittelmeer ein. Nicht nur das neuartige Schiff, sondern auch die darauf stationierten Senkrechtstarter standen sofort im Fokus der westlichen Militärs. Mit der Jak-38 hatte die Sowjetunion ihren ersten trägergestützten Senkrechtstarter in Dienst gestellt, der über viele Jahre in seiner Einsatzkonzeption allerdings fehlinterpretiert und unterschätzt wurde.

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Die „Kiew“ und ihre Flugzeuge
Die Fahrt der in der damaligen Sowjetunion offiziell als U-Boot-Abwehrkreuzer mit Luftfahrzeugen deklarierten „Kiew“ von Sewastopol im Schwarzen Meer bis zur Nordhalbkugel nach Severomorsk in der Barentssee war zweifellos aufsehenerregend. Als das von vier Dampfturbinen angetriebene und gut 40 000 Tonnen verdrängende Schiff vom Schwarzen Meer kommend am 18. Juli 1976 den Bosporus und anschließend das Mittelmeer befuhr, stürzten sich unzählige Fotografen auf das bisher kaum bekannte Objekt sowjetischer Ingenieurskunst.
Einer Sensation gleichkommend, konnten westliche Militärdienste zum ersten Mal den mit einem Flugdeck ausgestatteten, über 270 Meter langen Kreuzer und seine dazugehörigen Systeme fotografieren. Dabei kam mancher zu euphorisch von Luftbildaufklärern ausgeführte Einsatzflug dem Schiff und seiner fliegenden Gruppe bedrohlich nahe. Im Mittelpunkt der Beobachtungen standen natürlich auch die an Bord befindlichen Waffensysteme einschließlich der fünf einsitzigen Senkrechtstarter, ergänzt um eine doppelsitzige Schulmaschine. Die NATO nannte diese Flugzeuge „Forger-A und -B“ und bescheinigte ihnen während der durchgeführten Beobachtungen ausgezeichnete, sehr ruhige Start- und Landeeigenschaften. Als die Fahrt im August im Flottenstützpunkt Severomorsk endete, wurde die „Kiew“ der Nordmeerflotte unterstellt und die Senkrechtstarter wurden am 11. August 1976 offiziell von Jak-36M in Jak-38 umbenannt.
Die Jak-38 wurde damit zum ersten seetüchtigen Senkrechtstarter im operationellen Einsatz der sowjetischen Streitkräfte. Zugleich war es das erste Flugzeug weltweit, das speziell für den seegestützten VSTOL-Einsatz entwickelt wurde und zu den wenigen in Serie gebauten und nachfolgend in Dienst gestellten Flugzeugen dieser Kategorie zählt.

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Die Jak-38 war das erste VSTOL-Flugzeug überhaupt mit automatischem Rettungssystem und dank diesem zugleich das sicherste Flugzeug mit Senkrecht- bzw. Kurzstart- und Lande­eigenschaften weltweit. Mehr als 80 Prozent der Jak-38-Piloten überlebten die zwischen 1975 und 1985 verzeichneten Abstürze, nur fünfzig Prozent waren es bei den US-amerikanischen und britischen Harrier-Piloten. Wurde das automatische Rettungs­system der Jak-38 während der Schwebeflug- und Transitionsphase benutzt, überlebten sogar 100 Prozent der havarierten Piloten. Ein weiterer Zahlenvergleich mit dem westlichen Gegenstück macht das ebenfalls sehr deutlich: Bis 1980 wurden 115 Jak-38 ausgeliefert, 16 Maschinen davon mussten als Totalverluste bei Unfällen abgeschrieben werden. Im gleichen Zeitraum waren 241 Harrier ausgeliefert worden, hier gab es 57 Totalverluste. Die Abschreibungsrate der Jak-38 war insgesamt nicht größer als die anderer sowjetischer Kampfflugzeuge, mehr noch, sie betrug 1,14 Prozent pro Jahr gegenüber 2,76 Prozent bei den Harrier der Royal Air Force oder 3,22 Prozent bei den AV-8A der U.S. Marines.
Im Einklang mit dem Kampfflugzeug Jak-38 erhielten auch die Trainer im Laufe der Produktion verschiedene Verbesserungen wie etwa zusätzliche Öffnungen an den Lufteinlässen oder Luftleit­bleche und -schienen unter dem Rumpf und auf den Lufteinlässen, um Luftverwirbelungen besser abzulenken und den Auftrieb zu verstärken.
1975 wurde mit dem 279. Selbstständigen Bordgestützten Schlachtfliegerregiment (OKShAP) die erste operationelle Einheit der Jak-38 aufgestellt, die noch im Dezember mit dem Training begann. 1976 erfolgte die Überstellung des Verbandes zur Nordmeerflotte, Heimatstützpunkt wurde Severomorsk. Noch im gleichen Jahr folgte die Aufstellung des 311. Regiments für die Pazifikflotte mit Wladiwostok als künftigem Heimatstandort sowie des 299. Regiments, welches auf der Basis Nowofjodorowka bei Saki auf der Krim stationiert wurde und hauptsächlich ­Trainingszwecken dienen sollte. An diesem Standort wurde der Schulungskomplex der sowjetischen Marineflieger errichtet, inklusive den Trägerschiffen nachempfundenen Start-und-Lande-Bahnen.

Lesen Sie im ausführlichen Artikel in der FliegerRevue X Nr. 61 über das Erprobungsmuster Jak-36 und über die Einsätze in Afghanistan.