Stinson, der vergessene Luftfahrtpionier

Stinson, der vergessene Luftfahrtpionier

Das Verbindungsflugzeug Stinson AT-19 Reliant wurde im Rahmen des Lend-Lease-Abkommens von den USA an England geliefert. Nach Kriegsende wurden mehr als 350 AT-19 in die Vereinigten Staaten zurückgebracht, lediglich zwei blieben in England (G-AIYW und G-AJKZ.) Diese Maschinen, jetzt veraltet und von Militärs nicht mehr benötigt, wurden ab 1946 Zivilpersonen angeboten. Je nach Zustand konnte man damals eine AT-19 für 1500 bis 2500 Dollar erwerben. Dem zivil registrierten Flugzeug wurde sogar eine neue Musterzulassung als V-77 erteilt.
N64435 ist die einzige Maschine des Typs V-77, die ihren Weg nach Deutschland fand. Ihre Werknummer 499 kennzeichnet sie als Vorletzte der gebauten AT-19. Allen Lovenburg betrieb in Denver, Colorado eine Flugzeug-Reparaturwerkstatt und erwarb die Baunummer 499, die nach Akteneinsicht nur sehr wenige Flugstunden geleistet hatte.

 

In Lovenburgs Werkstatt wurde die AT-19 Nummer 499 im Juli 1947 zu einer zivilen V-77 umgerüstet. Dabei wurde das spartanische Militärinterieur der Kabine entfernt und durch vier bequeme Sitze ersetzt. Bei der „Zivilisierung“ entfiel das obligatorische Notfall-Schlauchboot der Maschine. Ferner werden keine Fallschirme mehr mitgeführt und der sperrige, faltbare Navigationstisch hinten konnte ebenfalls entfernt werden.
Geschäftsmann Lovenburg veräußerte die Maschine an den ersten zahlungskräftigen Kunden. Als erster Besitzer wurde Walter Pesco eingetragen. Derr nächste Eigner, Arthur W. Bencur wechselte 1958 den alten Motor 680-13 gegen einen 1943 hergestellten Lycoming R 680-9. Dieser besitzt als Besonderheit ein mechanisches Ladergebläse, das jedoch nur zur Leistungssteigerung in der Höhe dient.
Fünf Jahre später stand die Maschine wieder zum Verkauf. Diesmal nahm sich Dennis L. Hill aus Pekin, Illinois, ihrer an. Er ließ das Militär-Triebwerkbediengestänge entfernen. Die geräumige Stinson wurde jetzt als Fallschirm-Absetzplattform genutzt. Als besonders schwarzer Tag für das Flugzeug gilt der 1. September 1967. Welcher Pechvogel die N64435 bei der Landung so unglücklich aufsetzte, dass sie sich überschlug, kann nicht mehr festgestellt werden. Die Bestandsaufnahme nach dem Unfall ergab mehrere beschädigte, aus Stahlblech gefertigte Tragflügelrippen. Wie durch ein Wunder waren der Propeller und das Triebwerk nicht betroffen. Damit war Hill die Maschine leid und er veräußerte sie an Robert Sawer. Dieser ließ die V-77 in ihre Einzelteile zerlegen und nach Pittsfield zur Überholung bringen. Dabei wurden die Sitze und Kabinenwände mit Plüsch verkleidet und die Verkabelung in den Zivilzustand versetzt. Jetzt entspricht die Maschine wieder einem zivilen Stinson-Reliant-Urzustand.