Geheimwaffen: Flugabwehrrakete Taifun

Geheimwaffen: Flugabwehrrakete Taifun

In Peenemünde war der Wissenschaftler Dipl.-Ing. Klaus Heinrich Scheufelen (1913 bis 2008) damit beschäftigt, am Antrieb der Flakrakete Wasserfall zu arbeiten. Als Spross einer Familie von Papierfabrikanten sah er die Dinge eher praktisch. Im Nachkriegsteil seiner Karriere arbeitete er im Familienbetrieb und wurde nach dem tödlichen Brand an Bord der Kapsel Apollo 1 von der NASA damit beauftragt, ein nichtbrennbares Papier zu entwickeln.
Die Wasserfall war eine sehr große Rakete. 7,85 Meter hoch, mit einem Durchmesser von 0,70 m und vier Heck- und vier Rumpfflossen ausgestattet. Die generelle Auslegung beruhte auf den Erfahrungen der Großrakete Aggregat A4 (V-2). Die Wasserfall flog ihr Ziel mit Überschallgeschwindigkeit an. Mit einem Sprengkopf von 300 kg Gewicht hatte sie eine Start­masse von 3500 kg. Sie konnte Ziele bis in einer Höhe von 18 km und Entfernung von 25 km bekämpfen. Als Antrieb dienten flüssige Treibstoffe. Rotrauchende Salpetersäure als Oxidator und ein Kohlenwasserstoffgemisch namens Visol zündeten bei Berührung sofort. Gefördert wurden die Treibstoffe mittels Druckgas. Diese Treibstoffe sind lagerfähig, die Rakete kann also schon lange vor dem Flug betankt werden. Dies ist eine typische Forderung für eine militärische Verwendung. In den 1960er-Jahren flogen weltweit Nuklear-Raketen mit dieser Treibstoffkombination. Die größte davon ist die noch heute eingesetzte russische Proton-Rakete.


Scheufelen kam im Oktober 1942 nach Peenemünde. Davor diente er in einer Flakeinheit – er wusste also, worum es ging. Wohl nicht zufällig führte er sein Einstellungsgespräch mit Hauptmann Heinz Stoelzel, der als Adjutant des Standort­kommandeurs beauftrag war, die Flakraketenentwicklung in Peenemünde anzuschieben. Scheufelen wurde mit den Versuchen zum Antrieb der Wasserfall beauftragt und war verantwortlich für die Einrichtung eines entsprechenden Versuchsturms (Prüfstand IX). Der Betrieb mit Salpetersäure bedeutete neue Schwierigkeiten für die Raketenleute, denn alle Armaturen und Leitungen mussten säurefest sein. Letztlich konnten Antriebssysteme und später komplette Wasserfall getestet werden. Die Flugtests verliefen dann meist nicht erfolgreich. Beim Manövrieren der Rakete schwappte der Treibstoff und es kam zu Explosionen. Größere Stabilität im Flug ließe sich durch eine schlankere und längere Rumpfform erreichen. Vorgeschlagen wurde eine Verlängerung auf zehn Meter und eine Reduzierung des Durchmessers auf 50 oder sogar 40 cm. Doch die Arbeiten an der Wasserfall waren schon zu weit fortgeschritten, als dass diese Neukonstruktion hätte durchgeführt werden können.


Scheufelen litt darunter, dass das Projekt Wasserfall auf der Antriebsseite nicht zum Abschluss kam, und da war die Lösung für die Zielsteuerung noch nicht einmal gefunden. Privat überlegte er, ob die Idee, eine lange, schlanke Rakete zu bauen und auf eine Zielsteuerung zu verzichten, zu einer gangbaren Alternative führen würde. Sein Projekt sah eine Rakete mit der Länge von 2,10 Metern vor, die gerade 10 cm Durchmesser hatte. Das war im Prinzip eine auf 20 Prozent verkleinerte Version der vorgeschlagenen „schlanken“ Wasserfall. Beim Antrieb wurde die erprobte Kombination Salpetersäure/Visol beibehalten. Diese Rakete sollte in großen Salven ungesteuert auf Bomberpulks abgefeuert werden. Der Vorteil gegenüber Flakgeschützen war:
– geringerer Aufwand beim Geschütz
– Flakkanonen brauchen Feuerpausen zum Abkühlen
– Die doppelte Geschwindigkeit gegenüber Granaten
– Salven von bis zu 100 Raketen gegenüber vier Granaten pro Batterie
– Kein Bedarf an Pulver für den Antrieb
Gegenüber den Flakraketen mit eigener Zielsteuerung:
– kein Aufwand für elektronische Geräte an Bord
– keine Spezialisten für Start notwendig
– einfache Fertigung
– bei sehr hoher Fertigungszahl geringer Stückpreis
Scheufelen erstellte ein Projektpapier mit den technischen und ballistischen Daten der geplanten Rakete. Auch zum Start­gestell und dem Einsatz hatte er sich Gedanken gemacht. Als ehemaliges Mitglied einer Flakbatterie konnten seine Erfahrungen hier einfließen. Nach internen Diskussionen in Peenemünde legte Scheufelen das Projekt im September 1944 dem Reichsluftfahrtministerium vor. Hier wurde das Projekt im Oktober akzeptiert und der Name „Taifun“ vergeben