Wie England den Vorsprung in der Luftfahrt verspielte

Wie England den Vorsprung in der Luftfahrt verspielte

Während des gesamten Krieges waren enorme Ressourcen in die britische Flugzeugindustrie geflossen, ganz im Sinne von Churchills Äußerungen vor dem Kabinett und den Stabschefs während der Luftschlacht um England, als er sagte: „Mit der Marine können wir den Krieg verlieren, aber nur mit der Luftwaffe können wir ihn gewinnen. Deshalb muss unsere höchste Anstrengung darin bestehen, in überwältigender Weise die Lufthoheit zu erlangen. Die Jagdflugzeuge sind unsere Rettung, aber die Bomber allein sind das Mittel zum Sieg.“
Letzten Endes war die Flugzeugindustrie zum Ende des Krieges der größte Industriezweig Großbritanniens. Die 1945 neu gewählte Labour-Regierung gab eine Bestandsaufnahme des Industriegiganten, den sie geerbt hatte, in Auftrag. Man identifizierte etwa zweiundzwanzig große Unternehmen wie Avro und de Havilland sowie Handley Page und Gloster, die alle Flugzeuge konstruierten und fertigten. Dazu neun unabhängige Hersteller von Triebwerken, zu denen Bristol, Armstrong Siddeley und Rolls-Royce gehörten. Diese Unternehmen arbeiteten immer noch mehr oder weniger auf Kriegsniveau und waren auf Massenproduktion ausgerichtet. Sie waren eng in ein landesweites Netz von Zulieferern eingebunden, von denen sie Komponenten erhielten. Dies reichte von den Herstellern von Hispano-Maschinenkanonen und Funkgeräten bis hin zu Heimwerkerbetrieben, die aus Frauengruppen bestanden und die Markierungsbänder für die Verriegelungsstifte der Fahrwerke nähten. Diese halfen dem Bodenpersonal die Sicherungen visuell zu identifizieren und zu entfernen, sodass der Start des Flugzeugs freigegeben werden konnte.
Mit dem Ende des sechsjährigen Notstandes musste dieses Netzwerk entflochten werden. Es war offensichtlich der richtige Zeitpunkt, die gesamte britische Luftfahrt zu rationalisieren, die Dinge auf ein vernünftiges Maß zurückzufahren und ganze Firmengruppen zusammenzulegen. Die Besseren sollten sich auf die Erforschung und Entwicklung der neuen Generation von Düsenflugzeugen konzentrieren. Das Gleiche sollte auch für die Royal Air Force gelten: Tausende von Wehrpflichtigen sollten in das Zivilleben zurückkehren und eine schlanke professionelle Luftstreitmacht für die zukünftige Verteidigung Großbritanniens sollte entstehen.

Aber Verteidigung gegen wen, und welche Art von Angriff? Aus der Sicht eines Siegers war ein unmittelbarer Angreifer nur schwer vorstellbar und schon gar nicht zu fürchten, da alle möglichen Gegner geschlagen waren und in Trümmern lagen. Die UdSSR war theoretisch immer noch ein Verbündeter, auch wenn von Antikommunisten wie dem Außenminister der neuen Labour-Regierung, Ernest Bevin, zunehmend Zweifel geäußert wurden. Doch nun machte die britische Politik etwas, was sie schon einmal getan hatte. Unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg hatte Lloyd George seine „Zehn-Jahres-Regel“ verkündet, die besagte, dass für mindestens weitere zehn Jahre kein neuer Krieg denkbar sei. 1945 machte Premierminister Attlee denselben Fehler noch einmal. Da Großbritannien nun theoretisch in der Lage war, eine eigene Atombombe zu bauen, entschied er, dass es für mindestens zehn Jahre keinen Krieg mehr geben könne. Bis 1957 würden also weder die RAF noch die Royal Navy völlig neue Kampfflugzeuge benötigen. Militärflugzeuge, die sich bereits auf den Reißbrettern der Firmen befanden, könnten möglicherweise staatlich unterstützt werden, aber nichts darüber hinaus, es sei denn, sie dienten Forschungszwecken.
„Das war eine fatale Fehleinschätzung“, sollte ein bekannter Luftfahrtkommentator feststellen. Eine Fehlentscheidung, die Großbritannien eine ganze Generation von Kampfflugzeugen kosten sollte. „Während die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion enorme Anstrengungen unternahmen, einsatzfähige Abfangjäger zu produzieren, entschied sich Großbritannien dafür, die Situation zu ignorieren.“ Viele Jahre mussten nicht vergehen, bis erst der Koreakrieg und dann die Suez-Krise zeigten, wie falsch Attlees Vorhersage gewesen war. Dies galt besonders am Himmel über Korea. Die RAF hatte in Korea nie ein Jagdflugzeug im Einsatz, das in seiner Leistung mit der amerikanischen F-86 Sabre vergleichbar gewesen wäre, von der russischen MiG-15 ganz zu schweigen. Zum ersten Mal seit über zehn Jahren waren die britischen Kampfflugzeuge im Fronteinsatz denen des Feindes deutlich unterlegen.