Robert L. Bartini: Leben und Werk

Robert L. Bartini: Leben und Werk

Robert, der Familienname ist nicht bekannt, wurde am 14. Mai 1897 im damaligen Fiume (heute Rijeka in Kroatien) geboren, das zu dieser Zeit zu Österreich-Ungarn gehörte. Da seine Mutter kurz nach der Geburt starb, kam das Kind in die Obhut einer Familie, deren Oberhaupt beim Vize-Gouverneur, Baron Lodovico Oros di Bartini, als Gärtner angestellt war. In vielen Quellen wird angedeutet, dass Robert der Sohn des Barons sein könnte. Im Alter von drei Jahren wurde Robert vom Baron und seiner Frau, die selbst keine Kinder hatten, adoptiert. So wurde er zu Roberto Oros di Bartini. Bereits in seiner Kindheit fiel er durch sein Interesse an Mathematik und Physik auf. Er erlernte leicht Sprachen und war ein guter Sportler. 1912 zog der russische Pilot Chariton Slawrossow mit seinem Flugzeug mit Schauflügen durch Europa. Robert sah seine Flüge in Rijeka, soll selbst mitgeflogen sein und war für sein ganzes Leben mit dem Virus „Flugzeug“ infiziert. Seine Begeisterung war so groß, dass ihm sein Adoptivvater zum 16. Geburtstag ein Flugzeug schenkte.
Mit Beginn des Ersten Weltkrieges trat er nach Abschluss des ­Gymnasiums als Kriegsfreiwilliger in die Armee ein und kam 1916 als Offiziersanwärter an die Ostfront. Im Juni 1916 geriet er während einer russischen Offensive in Gefangenschaft, aus der er erst 1920 aus einem Lager nahe Chabarowsk zurückkehrte. In der Gefangenschaft machte er sich mit den kommunistischen Ideen bekannt, die sein Interesse fanden. Nach Rückkehr nach Fiume, das jetzt zu Italien gehörte, verzichtete er auf die beruflichen Möglichkeiten durch die Beziehungen seines Vaters, arbeitete in einer Fabrik in Milano als Handwerker und Fahrer. 1921 legte er an der Fliegerschule in Rom den Flugschein ab und trat noch im gleichen Jahr in die Kommunistische Partei Italiens (KPI) ein, der er später sein gesamtes väterliche Erbe übergab. Im Fernstudium erwarb Bartini 1922 am Milaner Polytechnischen Institut das Diplom als Flugzeugbau-Ingenieur.

Als Mussolini 1922 die Macht übernahm und die faschistische Diktatur errichtete, verließ Bartini illegal seine Heimat in Richtung Sowjetunion. Eine Version sagt, dass er vor der Diktatur geflohen sei, eine andere, dass ihn die Kommunistische Partei Italiens KPI als Flugzeugbau-Ingenieur in die Sowjetunion geschickt hätte. Über die Schweiz und Deutschland kam er zuerst nach Petrograd und dann nach Moskau. Er erwarb die sowjetische Staatsbürgerschaft und nahm den Namen Robert Ljudwigowitsch Bartini an.
Auf dem Wissenschaftlichen Versuchsflugplatz der sowjetischen Luftstreitkräfte (WWS) in Chodinka, heute Tschkalowsk, begann er 1923 im Labor als Luftbildvermesser, danach als Experte im technischen Büro zu arbeiten. Auch flog er als Militärpilot. Ende 1923 wählte ihn das Technische Komitee der Moskauer Gesellschaft der Freunde der Luftflotte zu seinem Vorsitzenden. Zwei Jahre später nahm er als Pilot und Konstrukteur, gemeinsam mit Wladimir Mjassischtschew, auf der Krim an einem Segelflugwettbewerb teil.
Seine Fähigkeiten als Konstrukteur richtig einschätzend, schickte man ihn 1925 in das Kommando der Fliegerkräfte der Schwarzmeerflotte. Hier in Sewastopol begann er als Ingenieur eines Fliegergeschwaders und entwickelte einen Korrosionsschutz für Flugboote im salzigen Seewasser. 1927 ernannte man ihn zum Hauptingenieur der Fliegerkräfte im Dienstgrad eines Brigadekommandeurs, der dem Generalmajor entspricht, verantwortlich für den gesamten Flugzeugbestand. Für die Vorbereitung des Flugabschnittes über dem Ozean beim Transkontinentalflug der ANT-14 „Strana Sowjetow“ zeichnete ihn das Allrussische Zentrale Organisationsbüro mit einer Urkunde aus. Zur Erinnerung: Vom 23. August bis 30. Oktober 1929 flog die Besatzung S. Schestakow von Moskau über Kamtschatka und San Francisco nach New York, eine Strecke von 21 242 km, davon 7950 km über Wasser. Bartinis Beitrag bestand in der Konstruktion der Schwimmer, die über dem Ozean anstelle der Fahrwerksräder angebaut wurden.

In diesen Jahren untersuchte und berechnete Bartini die Aerodynamik verschiedener Tragflächenprofile und fand neue Lösungen, die sich in den Windkanälen des Zentralen Aerohydrodynamischen Instituts ZAGI als besser als alles bisher Bekannte erwiesen. Dabei halfen ihm seine hervorragenden mathematischen Kenntnisse. Es wird über ihn gesagt, dass er bei der Lösung verschiedener Aufgaben des Flugzeugbaus strenge Prinzipien verfolgte, deren Einhaltung er auch von seinen Mitarbeitern verlangte. So war er strikter Gegner der Ansicht, dass die Erhöhung eines Parameters unweigerlich die Verschlechterung eines anderen nach sich ziehen müsste und versuchte in seinen konstruktiven Lösungen zumindest beide Parameter zu verbessern.


Noch in Sewastopol entwickelte Bartini die ersten Projekte für Wasserflugzeuge LL-1 und LL-2. Die LL-1 wurde als Hochdecker bei einer Masse von 450 kg von einem 100-PS-Motor (73 kW) angetrieben. ­Seitliche Ausleger am Rumpf sorgten für eine Erhöhung der Seitenstabilität im Wasser. Die LL-2, gedacht als Seeaufklärer, hatte bei einer Masse von 6000 kg vier Motoren zu je 400 PS (294 kW). Die Motoren waren paarweise im Tandem in den Gondeln angeordnet und die die Luftschrauben wurden über längere Wellen antrieben. Das ZAGI lehnte die LL-1 ab, da es die Forderungen an Sicht, Waffeneinbau und Seetüchtigkeit nicht erfüllen würde – das war das erste „Nein“ für Bartini, viele sollten noch folgen.
Nach Rückkehr nach Moskau 1928 wurde er Mitglied des Wissenschaftlich-Technischen Komitees der Luftstreitkräfte und der experimentellen Gruppe der Versuchsabteilung-3 (OPO-3) des Zentralen Konstruktionsbüros (ZKB), der Abteilung für den Bau von Seeflugzeugen. Die Gruppe leitete der zu dieser Zeit führende Flugzeugkonstrukteur D. Grigorowitsch. In ihr arbeiteten u.a. junge Ingenieure wie S. Koroljow, S. Lawotschkin, I. Berlin, N. Kamow und I. Tschetwerikow. Bartini arbeitete anfangs zusammen mit Koroljow an der Entwicklung von Raketen und war am Abschuss der Rakete „GIRD-X“ beteiligt.