„Pluto“ sollte Russland bezwingen

„Pluto“ sollte Russland bezwingen

Die Idee der Stationierung von Atomraketen auf U-Booten nahe der sowjetischen Grenze weckte auch bei der U.S. Air Force Begehrlichkeiten auf ein solches – natürlich fliegendes – Waffensystem. Gewissermaßen als Abfallprodukt der beim Programm NEPA untersuchten Antriebskonzepte gab es noch keine Anwendung für das nukleare Staustrahltriebwerk. Da bei einem nuklear angetrieben Bomber die Besatzung einem hohen Gesundheitsrisiko ausgesetzt sein würde, wurden Überlegungen angestellt, auf Menschen an Bord völlig zu verzichten. Dadurch fiel die gesamte Abschirmung, außer für das Geräteabteil, weg. Mit einer hohen Geschwindigkeit im Bereich von deutlich über Mach 3 und Flügen im Tiefstflug wäre die Gefahr durch Flugabwehrraketen nur noch minimal gegeben. Im Jahr 1956 stellte die amerikanische Luftwaffe deswegen eine Forderung für die Entwicklung eines atomar angetriebenen und unbemannten Flugkörpers mit atomarer Bewaffnung auf.

Nach einigen grundlegenden Studien wurde am 1. Januar 1957 von der U.S. Air Force der formelle Entwicklungsauftrag für den Antrieb eines solches Waffensystem an das Lawrence Livermore National Laboratory in Kalifornien vergeben. Die Arbeiten liefen unter dem Kürzel SLAM (Supersonic Low Altitude Missile), der Reaktor und der Flugkörper selbst wurden als Pluto bezeichnet. Das ließ für die Sowjets wenig Gutes erwarten, Pluto war in der griechischen Mythologie der Herrscher der Unterwelt. Er war der unsichtbare Bringer von Unheil und Tod und wurde von allen Menschen gefürchtet.

Der Name war passend gewählt. Das Pluto-Fluggerät sollte vom amerikanischen Festland entweder aus verbunkerten Stellungen oder von mobilen Startrampen mittels dreier kleiner oder einer großen Feststoffrakete gestartet werden. Nach 30 Sekunden hatte das Gespann eine Höhe von 10 000 Metern und Mach 3 erreicht und die Booster wurden abgeworfen. Pluto schwenkte dann in einen Übergangskurs zum Operationsgebiet ein. Hier, unmittelbar vor der sowjetischen Hoheitsgrenze, konnte Pluto mehrere Tage (optimistischen Schätzungen zufolge sogar mehrere Monate) in Warteschleifen auf das Einsatzkommando warten. Dabei bewegte sich Pluto im Tiefstflug auf unregelmäßigen Kursen und war so kaum abzuwehren. Mit jeweils 16 (bei anderen Versionen bis 52) Wasserstoffbomben oder normalen Atombomben an Bord, war eine Flotte von kreisenden Pluto die ultimative Drohung gegenüber der UdSSR. Die finanziellen Planungen gingen von einer Beschaffung von 50 Pluto-Systemen aus.