Kamikaze – der stählerne Regen

Kamikaze – der stählerne Regen

Die Japaner benutzten während des Krieges niemals den Begriff „Kamikaze“. Die Übersetzung lautet „Göttlicher Wind“. Die japanischen Einheiten, welche die Selbstopfertaktik anwendeten, nannten sich „tokubetsu kogeki tai“. Erst nach dem Ende des Krieges wurde der hier verwendete Begriff „Kamikaze“ zum gebräuchlichen Ausdruck für die Selbstopfereinsätze. Admiral Onishi wird allgemein als Schöpfer der Kamikazetaktik genannt. Anfang 1944 war er der Leiter der Luftfahrtabteilung des japanischen Rüstungsministeriums. Nach der Niederlage in der Schlacht bei den Philippinen wurde ihm der Befehl über die erste Flotte der Marineflieger übergeben. Diese sollte sich auf die Abwehr der befürchteten Invasion der Philippinen vorbereiten. Onishi war sich der Schwäche der Verbände bewusst und hatte keine Hoffnung, dass diese eine Invasion abwehren konnten.
Bevor Admiral Onishi sein neues Kommando antrat, informierte er den Chef des Generalstabes der Marine und den Marine-Minister über seine Absicht, amerikanische Schiffe durch Spezialangriffe zu versenken. Als Onishi am 17. Oktober auf den Philippinen eintraf, konnte er nur über etwa 100 Flugzeuge verfügen, von denen eine große Zahl noch nicht einmal einsatzbereit war. Mit einer so kleinen Streitmacht war ein konventioneller Luftangriff auf die US-Flotte sowieso aussichtslos. Onishi entschied sich also für die Spezialangriffe und war damit bereit, hunderte junge Männer in den sicheren Tod zu schicken.

Mit den Augen eines Kamikaze-Piloten
Während der langen Geschichte Japans hatte die Kaste der Samurai großen politischen und kulturellen Einfluss und ihre Ideen waren auch in der modernen Armee verankert. Vor dem Krieg gehörte es zur japanischen Erziehung, sich militärischem Drill und der Ausübung von Kampfkünsten zu unterziehen. Der Kaiser steht in der japanischen Gesellschaft über allem, aber noch über den Staatsinteressen steht das Bestreben, den freien Willen dem Gruppenzwang zu unterwerfen. Wenn Piloten der fliegenden Verbände gefragt wurden, sich freiwillig für Rammeinsätze gegen Schiffe oder Bomber zu melden, war es unmöglich, dies abzulehnen. Für jeden japanischen Piloten waren der Wille der Gruppe und die Bestätigung durch Kameraden die leitenden Prinzipien. Einen Befehl in Frage zu stellen oder gar zu missachten war für japanische Flieger undenkbar.
Das Training japanischer Piloten war im Vergleich mit dem anderer Nationen hart und brutal. Körperliche Gewalt war ein integraler Teil der Ausbildung und egal, wie gut sich ein Rekrut auch machte, Schläge erhielt er dennoch. Nach westlichen Vorstellungen war dieses Ausbildungssystem völlig unfassbar. Die Militärausbildung in Japan konzentrierte sich darauf, die totale Hingebung für den Kaiser (der als Gott verehrt wurde) zu erreichen – unter Hintenanstellung der eigenen Interessen. Gelehrt wurden zwei Tugenden eines Soldaten: eiserne Disziplin und unbedingter Siegeswille.

Ein durchschnittlicher Kamikaze-Pilot war zwischen 20 und 25 Jahre alt und hatte sich freiwillig für seinen Einsatz gemeldet. Die ersten Selbstopferverbände wurden auf den Philippinen aus normalen Geschwadern heraus aufgestellt. Die meisten dieser Piloten waren kampferfahren und waren sich des hohen Risikos eines konventionellen Angriffs auf amerikanische Flugzeugträger bewusst. Es überrascht nicht, dass sich viele dafür entschieden bei einem Angriff zu sterben, der dem Gegner großen Schaden zufügt, als das Leben bei dem vergeblichen Versuch zu verlieren, eine Bombe ins Ziel zu bringen.
Aber nicht jeder Pilot wurde gefragt, ob er sich zum Kamikaze-Einsatz melden möchte. Erfahrene Jagdflieger wurden benötigt, um die Kamikaze-Maschinen zu ihren Zielen zu begleiten und sie zu schützen. Der Kommandeur der 20. Sentai der Luftwaffe, Hideo Muraoka, erinnert sich: „Ursprünglich wurden Tokkotai-Piloten in Japan ausgewählt und danach auf die Philippinen geschickt. Meine Aufgabe als Kommandeur der 20. Sentai mit Nakajima Ki-43 war es, die Piloten für ihren Einsatz auszuwählen und dann mit meiner Staffel zum Ziel zu begleiten.“